Historischer Feminismus (Erste Welle Feminismus)
Vorab: Feminist*innen hat es immer gegeben, aber erst im 18. Jahrhundert erhielt der Kampf um gleiche Rechte für Frauen wachsende Aufmerksamkeit. In Europa war die Französische Revolution ein Meilenstein. Der „Zug der Marktweiber“ am 5. Oktober 1789 war ein Zusammenschluss von Frauen aller Schichten in Paris, die nach Versailles stürmten. 1791 veröffentlichte Olympe de Gouges die „Déclaration des Droits de la Femme et de la Citoyenne“ (Die Erklärung der Rechte der Frau und der Bürgerin) und wehrte sich damit gegen den Ausschluss der Frauen von den Allgemeinen Bürgerrechten.
Überwindung der „getrennten Sphären“
Die erste Welle des Feminismus ist eng mit dem Kampf um soziale Gerechtigkeit und Bürger*innenrechte verbunden. In Europa kämpften Feminist*innen um das Wahlrecht für Frauen und das Recht auf Eigentum. Ziel war es, die „getrennten Sphären“ zu überwinden, eine Ideologie, die den Frauen den häuslichen Bereich zuwies und von Politik, Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft ausschloss.
In New York fand 1848 die Seneca Falls Convention statt, eine Versammlung von 200 Frauen und 40 Männern, darunter Frederick Douglass als einziger Afroamerikaner, die die Gleichberechtigung von Frauen und die Abschaffung der Sklaverei forderten. Eine der Organisatorinnen Elizabeth Cady Stanton gründete 1869 gemeinsam mit Susan B. Anthony in New York City die National Woman Suffrage Association (NWSA), deren vorrangiges Ziel das Wahlrecht für Frauen war.
„Bin ich etwa keine Frau?“ (Sojourner Truth)
Eine wichtige Figur der US-amerikanischen Frauenbewegung ist außerdem Sojourner Truth, die als befreie Sklavin sowohl Abolitionistin als auch Feministin war. Sie war die erste Schwarze Aktivistin, die eine Verbindung zwischen Frauen- und Sklavenrechten herstellt. Ihre Rede „Bin ich denn keine Frau?“, die sie 1851 anlässlich einer Frauenrechtskonvention in Akron, Ohio hielt, gilt als Ausgangspunkt des Black Feminism.
Frauenbewegung in Deutschland
In Deutschland gab es keine einheitliche Frauenbewegung, Arbeiter*innen und Frauen aus dem Bürgertum kämpften getrennt. Der „Allgemeine Deutsche Frauenverein“ (ADF) wurde 1865 in Leipzig gegründet und zählte im Jahr 1877 schon 12.000 Mitglieder. Der Verein, der durch ein bürgerlich-kapitalistisches Weltbild geprägt war, konnte kaum nennenswerte Erfolge erzielen, die Geschlechterrollen wurde zudem nicht wesentlich in Frage gestellt. Aktivist*innen der Arbeiter*innenklasse waren da fortschrittlicher.
Hedwig Dohm
Eine unabhängige Denkerin war Hedwig Dohm, die als Tochter eines Tabakfabrikanten mit 17 Geschwistern in Berlin aufwuchs und selbst fünf Kinder hatte. Hedwig Dohm veröffentlichte Romane und Theaterstücke, aber auch politische Essays, die weit radikalere Forderungen enthielten als die des ADF. 1874 trat sie für die „völlige Gleichberechtigung der Geschlechter auf dem Gebiete der Wissenschaft, in Bezug auf die Bildungsmittel und die Verwertung der erworbenen Kenntnisse“ ein. Sie war eine der ersten in Deutschland, die das Frauenwahlrecht forderten.
Clara Zetkin
Clara Zetkin nahm schon als Kind an Veranstaltungen des ADF teil, wuchs allerdings zur überzeugten Sozialistin heran und war später Mitbegründerin der Zweiten Internationale. Sie gilt als Initiatorin des Internationalen Frauentags am 8. März, der von 1911 an in immer mehr Ländern begangen wurde. Clara Zetkin sah die „Frauenfrage“ als untrennbar mit der „Klassenfrage“ verbunden und trat für eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft ein.
Feministische Kämpfe weltweit
In Großbritannien gründete Emmeline Pankhurst 1903 die „Women’s Social and Political Union“, die für zivilen Ungehorsam stand. Die Aktivist*innen wurden als „Suffragetten“ bekannt. In der Sowjetunion saß 1917 Alexandra Kollontai als einzige Frau im Zentralkomitee der KPdSU. Sie war die erste Ministerin auf der Welt und konnte unter anderem das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und Scheidung in der Sowjetunion durchsetzen. In China organisierte Xiang Jingyu 1922 einen Streik von 10.000 Arbeiterinnen, die eine Verbesserung von Bezahlung und Arbeitsbedingungen forderten.
Einführung des Frauenwahlrechts
Die Einführung des Frauenwahlrechts gilt häufig als Gradmesser der Gleichberechtigung in einem Land. Doch verschleiert eine Verkürzung auf die Kategorie Geschlecht häufig, dass das Wahlrecht nicht für alle Frauen galt. In Südafrika bspw. wurde 1930 das Wahlrecht für weiße Frauen eingeführt, Schwarze Frauen durften erst 1994 wählen. In Australien galt ab 1901 das Frauenwahlrecht, in den Bundesstaaten Queensland und Western Australia dauerte es aber bis 1962, bis indigene Frauen das volle Wahlrecht hatten. Auch in Kanada durften indigene Frauen erst 1960 wählen, weiße Frauen zehn Jahre früher.
Die „neue Frau“, Emanzipation und Sexualisierung
Als „neue Frauen“ galten in den 1920er Jahren emanzipierte Frauen, die erwerbstätig, gebildet und sexuell selbstbestimmt waren. Sie trugen einen Bubikopf und rauchten in der Öffentlichkeit. Das heute herrschende Bild der „Frau aus den 20ern“ traf in Wahrheit aber nur auf eine kleine Gruppe zu. Für Frauen der Arbeiter*innenklasse war diese Zeit gekennzeichnet von wirtschaftlicher Not.
In den 1920er Jahren wandelte sich langsam die Sexualmoral, Verhütungsmittel wurden populärer, erste Sexualberatungsstellen eröffneten und Abtreibungsgesetze wurden gelockert. Auch die Sexualisierung von Frauen in der Werbung und der Popkultur nahm zu. In den USA wurde 1921 die erste „Miss America“ gekürt.
Antifeministischer Gegenwind
Mit der zunehmenden Emanzipation der Frauen nahm auch der antifeministische Gegenwind zu. Schon damals wurde der Frauenbewegung eine Gefährdung der Familie nachgesagt. Als während der Weltwirtschaftskrise die Arbeitsplätze knapper wurden, wurden in Deutschland vor allem Frauen aus den Berufen gedrängt. Deutsche Hochschulen führten einen Numerus Clausus für Studentinnen ein, der festlegte, dass maximal 10% der Studierenden weiblich sein durften.
Die Nationalsozialist*innen trieben den Antifeminismus auf die Spitze, stießen damit aber auch bei vielen Frauen auf große Zustimmung. Adolf Hitler, der die Emanzipation zum Produkt des „jüdischen Intellekts“ erklärte, sah wie viele seiner Anhänger*innen die Mutterschaft als Hauptaufgabe der Frau: „Das Recht der persönlichen Freiheit tritt zurück gegenüber der Pflicht zur Erhaltung der Rasse.“
Links und Quellen
Was ihr zusteht. Kurze Geschichte des Feminismus (Bundeszentrale für politische Bildung)
Graphic-Novel-Zeitstrahl: Feminismus und Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland. (Friedrich-Ebert-Stiftung)